_____________________________________________________________
rtist: Im Namen des Volkes
Title: "Weisses Rauschen"
Homepage: http://www.nlw.backagain.de/
Label: NLW Records
Freunde des minimalen Underground-Elektros können sich freuen, denn eine Schlüsselfigur
der Szene ist in letzter Zeit so aktiv wie nie zuvor. Gemeint ist niemand anderes als
Matthias Schuster; bekannt vor allem durch seine Band GEISTERFAHRER und zahlreichen
Projekte wie DAS INSTITUT, BAL PARè etc. Nachdem vor knapp 25 Jahren die erste Single seines
Projektes IM NAMEN DES VOLKES erschienen war und bereits kurz darauf in Sammlerkreisen zu
Höchstpreisen gehandelt wurde, so ist nun endlich die zweite Single offiziell im Handel
erhältlich. Genauso stilecht wie die Tatsache der Veröffentlichung auf Vinyl, sind auch die vier
darauf enthaltenen Stücke: "Reaktorkern", das Titelstück "Weisses Rauschen", System überlastet"
und "Dich sehn". Alle Songs sind aus eben der Zeit von 1979-1981 und wurden soundtechnisch
von Matthias Schuster im Institut aufbereitet. Mit den sehr wavigen und elektronischen
Sounds wird auch nach so langer Zeit genau der Puls der Zeit getroffen. Absolut geniale
Scheibe, die in jede ernstzunehmende (Elektro-, Wave- und Minimal-) Sammlung gehört.
(Darkun)
Interview mit Matthias Schuster von Kay Wedel
Ein Geisterfahrer auf der Überholspur
GEISTERFAHRER wurden 1979 von Matthias Schuster (Gitarre, Synthesizer), Michael Ruff (Gesang), Jürgen Weiß (Violine, Synthesizer, Bass und Hans Keller (Drums, Bass) gegründet.
Der erste Auftritt fand am 29.06.1979 auf einem von Alfred Hilsberg organisierten Festival in der Hamburger Markthalle statt. Ihre erste Single war auch die erste Veröffentlichung auf dem Hilsberg Label ZickZack. Vielfach waren sie ihrer Zeit voraus, ob Industrial, New Wave, oder Gothic, am Ende wurden GEISTERFAHRER zu einer richtig rockenden Band . Mit dem Song “Himmel auf Erden” gab es sogar einen kleinen NDW-Hit. In wechselnden Besetzungen wurden bis 1989 insgesamt sieben Alben veröffentlicht, dann wurde es still um die Band und die Musiker kümmerten sich um diverse andere Projekte. 2005 wurde mit “1979-1989” eine umfangreiche Zusammenstellung der frühen Jahre veröffentlicht, die erste Single wurde neu aufgenommen und es gab, nach 15 Jahren live Abstinenz, sogar einen Auftritt. Ich habe Matthias Schuster einige Wochen vorher in seinem Studio besucht. Geräte soweit das Auge reicht: Synthesizer wie der Korg Synthesizer MS10, Effektgeräte aus den 70er Jahren oder ein PC-gesteuertes Mischpult.
Also ich bin ja echt überrascht über so viel Equipment.
Teilweise erinnert das hier ja schon an ein
Museum.
”Das stimmt, diese Multiplay-analoge Bandmaschine
z.B. stammt aus dem LICHTJAHR Projekt. Mit der konnte
man im Ping-Pong Verfahren überspielen, die ist von
1975. Hier steht sie, die Originalmaschine ist jetzt 30
Jahre alt. Aber alle Geräte hier sind miteinander
vernetzt und an einem Pult angeschlossen. Sie
funktionieren und können über Trigger angesteuert
werden.”
Das
Projekt Lichtjahr? Hat damit alles begonnen?
”Ja richtig. Ich habe einmal Kunst studiert und
habe Kunstkram gemacht. Ich dachte mir ich brauche
unbedingt einen Synthesizer und habe dann zusammen mit
Jan Krahn auf Vernissagen gespielt und bei
Theaterstücken, das war beides Lärm. Das Projekt
LICHTJAHR haben wir beide mehr oder weniger erfolglos
jahrelang gemacht. Ich bin dann nach London geflogen
und habe das Virgin angeboten. Die haben dann gesagt so
etwas haben wir schon. Das war so ein bisschen
angelehnt an, etwas krachiger, zwischen CARBARET
VOLTAIRE und TANGERINE DREAM. Nur TANGERINE DREAM war
bei denen unter Vertrag. Da ging aber auch schon der
Punk los. Ich weis noch, im Marquee wollte ich THE
INCREDIBLE STRING BAND gucken, das ist eine Hippieband
vor dem Herrn, die ich aber immer gut fand, und da
stand denn fällt aus, dafür spielen MEAN STREET. Nie
gehört natürlich, aber ich dachte da gehe ich mal rein
(Anmerkung: der Sänger von MEAN STREET Gary Webb
gründete später TUBEWAY ARMY und nannte sich Gary
Numan). Drinnen war das dann echt grotesk, denn ich
wusste gar nichts, so etwas gab es in Deutschland
nicht. Die ganzen Typen mit dem Eisen im Gesicht -
Sicherheitsnadeln durch die Nase. Ich dachte das muss
ein Fake sein, aber das war ja echt. Und dann kamen die
auf die Bühne, schmeißen eine Glasflasche an die Decke,
ein Scherbenregen prasselte auf die Masse und es ging
los, one, two, three, four. Das krasse Gegenteil. Das
war so die Initialzündung. Ich habe gedacht, das ist
total geil. Es war zwar auch irgendwo total Scheiße,
die konnten keinen Ton spielen, aber die Energie, die
dabei rüberkommt, das ist geil. Und das zweite was ich
immer geil fand war, das es jeder machen kann. Ich
hatte mal mit 15 Gitarrenunterricht, das hat mich so
angekotzt, ich habe es nach zwei Monaten geknickt. Aber
ich konnte A, E, C. Das war es, drei Akkorde, mach
‚ne Band. In Hamburg vom Hippiekumpel gleich eine
Gitarre gekauft, eine Telecaster, und gleich am ersten
Tag einen Song geschrieben, natürlich nach diesem
Muster und gedacht, mehr brauche ich nicht: Telecaster,
Minipops. Das war die totale Abkehr zu dem vorherigen,
diesem Kunstkram.”
Also
war dies die Initialzündung?
”Ja! Dabei bin ich 52 und war damals eigentlich
steinalt für Punk. Ich habe danach die BIG BALLS, die
erste Hamburger Punk Band, im Winterhuder Fährhaus
gesehen. Das war Punk aus England, nachgespielt mit
englischen Texten, es war nicht wirklich etwas Neues.
Die fand ich grottenschlecht, aber der Geist ist das,
genau das will ich machen. Dann habe ich Hilsberg
angerufen und gesagt ich spiele da in der
Markthalle.”
...
das legendäre ‚Punk bis zum Untergang’
Festival,...
“Aber es gab nichts zu spielen. Es gab keine
Gruppe. Es existierte nichts, es gab nur mich. Meine
Rhythmusmaschine, meine Telecaster und ich. Und das
Ganze heißt STROMAUSFALL und fertig ist. Zwei Tage vor
dem Auftritt habe ich dann die anderen Leute kennen
gelernt. Hans Keller bei Govi im Plattenladen. Ich habe
ihm erzählt, ich spiele übermorgen in der Markthalle,
da sagte er, ‚Da hätte ich auch Lust zu‘
und ich antwortete, ‚Ja, dann mach doch
mit.‘ Und in diesem Plattenladen arbeitete auch
Jürgen Weiß und der meinte, ‚Ja und ich spiele
Schlagzeug‘, und ich habe gesagt, ‚Dann
mach doch auch mit.‘ Da fragte mich Jürgen
‚Was für Songs gibt es denn?‘ und ich
antwortete, ‚Es gibt keine Songs – wir
gehen da hin und gucken mal.‘ Und daraufhin hat
er gesagt, nee, dann will ich nicht, das ist Scheiße.
Deshalb sind wir dann mit der Rhythmusmaschine
aufgetreten.”
Michael
Ruff und Holger Hiller (gründete später PALAIS
SCHAUMBURG) waren auch mit dabei...
“Hans wohnte in einer WG, zusammen mit Alfred
Hilsberg und Holger Hiller, der dann gesagt hat, Nee
dann will ich auch mitspielen. Der war dann auch mit
dabei. Michael Ruff habe ich auch zufällig, wieder in
einem Plattenladen, kennen gelernt:’ ich habe
gehört du machst da was in der Markthalle, da würde ich
ja gerne mitmachen.’ Ich:’ Ja was machst du
denn so.’ Er: ‚Ja ich schreibe
Texte.’ Er gab mir da ein Buch in die Hand,
gebunden und so. Das waren alles großartige Texte, ich
habe es heute noch, das steht hier unten. Na ja, wir
haben gedacht, jetzt passt der Name STROMAUSFALL nicht
mehr. Lasst uns mal GEISTERFAHRER nehmen. Damals bin
ich nebenbei Taxigefahren. Ich hörte das immer in den
Verkehrsmeldungen und dachte, das ist ein guter Name,
deutsche Tradition wie KRAFTWERK und jeder kennt das,
auch im Ausland, aber keiner weis was es ist. In
England waren später Kritiken im NME, da stand dann
Master Of Mind oder irgend so etwas. Das klang so
völlig esoterisch, die Platte wurde umschrieben mit
‚das klingt so, als ob man das Rauschen der
Wälder im Schwarzwald hört’, Ha, ha ,ha.”
Euer
Auftritt vor tausend Punks geriet zum Fiasko, mit
selbstgeklebten Bandschlaufen ...
Wir sind gesteinigt wurden, beim ersten Gig flogen
Glasflaschen auf uns. Man hatte uns den Strom
rausgerissen, denn wir hatten Stücke, die Stücke die
hießen”Simpel 1” jetzt kommt ”Simpel
2”. Nur Krach. Ha, ha, die Leute haben gebrüllt,
‚Aufhören, Scheiße, ihr Wichser‘.”
Aber
zumindest gab es eine Reaktion.
”Ja, das ging bis in die Boulevardpresse, dort
stand dann: ‚Punkkonzert wurde Strom
abgedreht’. In den einschlägigen Fanzines die für
uns waren stand, ‚die ekelhafteste Erscheinung
des Abend waren ein Retortenprodukt aus Hamburg: die
Geisterfahrer‘. Die haben uns gehasst, die eigene
Szene hat uns gehasst und die große Szene sowieso, aber
wir waren die einzigen, die ein Echo erhielten. Am
nächsten Tag riefen RCA an und Teldec, wir hätten jedes
machen können. Dann kamen Radio und Fernsehen. Wir
waren bei der NDR-Talkshow mit Achim Reichel und Bauer,
Garn und Dyke. Die uns auch gesagt
haben‚’Ihr seid Cretins, ihr habt keine
Ahnung von Musik‘ ha, ha, ha. Dieses gehasst sein
– das ist dann aber später umgeschlagen in
Fansein. Wir haben später dann eine Tour mit LEATHER
NUN gespielt und die Leute haben gekreischt und
Geisterfahrer gebrüllt, den Tourbus belagert und so
weiter. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt.
In der Endphase kündigte uns Alan Bangs im Radio als
Deutschlands beste Rockband an. Da haben wir uns dann
am Kopf gekratzt und gesagt, jetzt müssen wir wohl mal
die Notbremse ziehen, sonst müssen wir noch im
Rockpalast spielen. Jetzt sind wir wohl langsam richtig
Scheiße.”
Ihr
hattet in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle. Nicht
nur musikalisch, schließlich gingen GF als erste
Zickzack Band zur Industrie.
”Es gab eine heftige Debatte bei GF sollen wir
das machen und zu Phonogram gehen, schließlich waren
wir die erste Band auf Zickzack. Wir waren Zickzack
001, die erste Single. Hilsberg hat immer gesagt, ich
zahle gar nichts. Ich zahle euch auch kein Midi-Studio,
ihr habt ja ein Studio. Und das war ich leid, Ich habe
gesagt, ich mache das jetzt schon seit 5 Jahren ohne.
Vor GF konnte man das machen, denn Synthesizer klingen
auch so gut. Aber ich will einen Drumsound haben denn
ich habe einen Drummer und will nicht diesen
Schlafzimmersound. Ich möchte so einen Hall auf der
Snare haben, ich möchte dass das geil klingt, und
deswegen bin ich zu Phonogram. Ich habe Bock das was
losgeht. Ich will einen Standard erfüllen. Später habe
ich zwar wieder Sachen gemacht, da habe ich gesagt ich
will Schlafzimmersound, aber in dem Moment wollte ich
es nicht. Deswegen müssen wir da hin gehen, nicht wegen
Geld.”
Aber
Geld gab es dann doch auch, oder?
“Wir haben irgendwie pro Platte 5.000 Mark
bekommen und denn gab es noch, gut das heutige Studio
ist von Phonogram, die haben eine Otari (Bandmaschine)
ausgeschüttet, Mischpulte, die haben schon Geld
rausgetan aber nicht in Form von Schecks oder so. Kohle
gab es erst zu NDW-Zeiten.”
Auch
ja, Ihr hattet ja mit ”Himmel auf erden”
von dem 1981er Album “Fest der vielen
Sinne” einen richtigen Hit.
”Wir wollten es nicht auf der Platte haben. Wir
damals sehr um eine gewisse Ernsthaftigkeit und
Dunkelheit bemüht und plötzlich war das Ding da.
”Himmel auf erden” war der erfolgreichste
Geisterfahrersong. Den hätten wir nie herausgebracht.
Wir haben das im Studio so funmäßig gemacht. Der
einzige der dafür war, das war Tommy Richter der
Labelmanager, der meinte das ist dass geilste, das ist
super gut. Michi fand das auch gut, er hatte auch schon
einen Text ”Himmel auf erden”. Jürgen und
ich, wir haben uns mit Händen und Füssen dagegen
gewehrt. Wir haben gesagt, du bist wahnsinnig, das ist
dass schlechteste, was wir je gemacht haben, das ist
jetzt wirklich fast NDW – und prompt war das ein
Hit. Wir waren dann plötzlich auch auf den Dingern mit
TRIO, KONDITORS, NENA und der SPIDER MURPHY GANG drauf.
Später hieß es dann, eigentlich sogar bis heute, ja GF
das ist NDW. Dabei hatten wir später Englische Texte,
wir wollten wir uns eben von dieser NDW-Scheiße streng
abgrenzen. Michi, das muss man zugestehen, schreibt
bereits seit 1970 englische Texte.”
In
eurem Bandinfo schreibst du: ‚in Radiointerviews
wurden wir mit Bands wie GIANT SAND etc. verglichen,
deren Namen ich noch nicht einmal kannte.‘
”Den kannte ich auch nicht. Das Kranke war ja,
das Michi, Michael Ruff, der kannte alles und ich
kannte nix. Das muss ich schon sagen. Ich kannte Anfang
der Achtziger Jahre auch alles aber aus dem Industrial
und Elektronik Bereich. In den Endachtzigern, als wir
viel getourt haben, da kannte ich keine Bands und auch
keine Labels, SST und wie sie alle hießen. Und wenn es
einen Interviewtermin gab, dann hat er mich dahin
geschickt und ich saß da doof. Ihr werdet ja mit GIANT
SAND und so und so verglichen – kenne ich nicht.
Ja, aber ihr seid jetzt die amerikanisch-deutsche Band
und in dem und dem Lied singt ihr ja – tut mir
Leid, ich mache die Texte nicht, ich habe da keinen
Plan von. Ich habe diese Bands nie gehört, ich spiele
einfach Gitarre und mache irgendwas.”
Was
sagst du zu dem Gerücht, das Intro von NIRVANAS
”Come as you are” stammt nicht von dem
KILLING JOKE Song ”Eighties” sondern hier
stand ”Mein Kind” von GEISTERFAHRER Pate.
”Ja, das Gerücht gibt es. Es gibt das Gerücht,
dass Cobain, als er auf Tour war, das gehört hat. Aber
es gibt auch das Gerücht, das Stück klingt ja nach
KILLING JOKE. Ich kann das ganze ja eigentlich auch
zugeben: diese Stück ist inspiriert, nicht von KILLING
JOKE, sondern von, wie hießen die noch, ähm MODERN
ENGLISH. Aber es ist nicht gecovert. MODERN ENGLISH war
damals auch so eine Düsterband, da sind wenn man so
will einige Parallelen, aber nicht 1:1 geklaut. Also
man kann sagen, wir haben das daher und jetzt gibt es
das Gerücht, das Cobain das wieder von uns hat. Das ist
Unsinn. Wenn man so will, kannst du jeden Titel
auseinander pflücken. Damals wurde uns zum Beispiel
vorgeworfen das auf der Scheibe ist JOY DIVISION. Das
ist Quatsch. Natürlich finde ich die geil, da mache ich
auch kein Hel draus, aber ich habe nie JOY DIVISION
nachgespielt - alleine der Gesang, wie kann ich Curtis
nachsingen.”
Beim Hören der Kompilation CD ”Geisterfahrer
1997-1989” sind mir die ganzen Einflüsse
aufgefallen. Neben JOY DIVISION höre ich auch GANG OF
FOUR, CURE, P.I.L. und KILLING JOKE heraus. Alle diese
Bands sind später groß herausgekommen. Anfang der
achtziger sind ja auch einige Bands aus Deutschland
nach England gegangen und wurden dort bekannt, wie z.B.
D.A.F. oder X-MAL DEUTSCHLAND. Ihr seit aber einen
anderen Weg gegangen.
”GF waren die totale Verweigerung. Wir konnten
auch gar nicht. Keiner konnte wirklich gut spielten.
Wir sagten, nee, wir wollen nicht auf Tour gehen, wir
wollen nicht spielen. Wir hatten aber hinten solche
Maschine und die haben immer gesagt, warum spielt ihr
nicht, wir bezahlen euch das. Ihr könnt ganz Europa
abtouren. Und wir sagten, wir haben aber keinen
Bassmann und dann sagte Tommy, gut hier ist ein
Bassmann im Haus, der hat bei den BEATLES gespielt und
bei George Harrison: Klaus Vormann, der hat später TRIO
gemanagt. Ich habe gesagt, ja, mach mal ruhig. Dann kam
er an, ja Klaus findet das geil, will er machen. Wir
haben es nicht gemacht, wir haben Schiss gehabt oder
was auch immer. Wir haben gesagt, ne wir haben jetzt
Erdem. Erdem das ist ein Freund von uns gewesen. Der
konnte wieder kein Ton spielen, war aber sehr nett und
ein guter Typ. Er hat es sich auch schnell
raufgeschafft, und war nachher wirklich geil, aber bis
er geil war da waren wir längst bei Phonogram weg. Und
das geht so bis heute. GF war immer ein Projekt, von
Anfang an. Wir haben uns nie gegründet. Wir haben das
gemacht und dann blieb das auch Zufall. Es gibt keine
GF Platte die gleich besetzt ist. Es war immer ein
offenes Ding und dadurch haben wir uns bis heute auch
nicht aufgelöst. Und jetzt mache ich es wie früher, ich
buche die Halle und sage ich spiele da, aber es gibt
die Band gar nicht. Ich habe jetzt einen noch
unbestätigten Date im September, da spiele ich, da bin
ich GF. Dann gucke ich, so einer wie du oder
irgendeiner der mir über den Weg läuft macht dann mit.
Ich finde das spannend, zu sagen es gibt nichts, es
gibt keine Band, es gibt keine Stücke.”
Ich
muss sagen ich finde diese Haltung sehr sympathisch
”Eigentlich denkt man ja, das entwickelt sich
immer weiter. Wenn man das Jahre nicht gemacht hat und
hört sich jetzt die Kompilation an, dann bleibt auch
nur die erste und zweite übrig. Da würde ich sagen:
richtig geil. Der Rest war zwar auch in Ordnung,
musikalisch war ich da zehnmal so gut, aber es ist
trotzdem normaler Rock. Es fehlt dieses etwas.
”Schatten Voraus” ist unsere beste Platte,
unsere tiefste. Die Platte ist stümperhaft aber
intensiv. Die erste Platte ist halt völlig aus dem
nichts heraus entstanden. Keiner konnte ein Instrument
halten. Der einzige der spielen konnte war Jürgen der
Drummer. Die ersten Platten sind eigentlich Jürgen und
ich: Schlagzeug/Gitarre ohne Bass. Wir haben uns
Freitags im Studio getroffen, gesoffen und dann ging es
los: drauflosgespielt und dabei ohne Ende alles
aufgenommen. Aus dem Aufgenommenen haben wir dann im
weitesten Sinne herausgeschnitten, was geil war. So ist
das entstanden. Eigentlich waren GF nur für eine kurze
Phase eine richtige Band. Die letzten Platten sind dann
wirklich in der Gruppe entstanden. Da haben wir richtig
mit 5 Mann geübt und konnten auch so auf die Bühne. Das
waren richtig komplexe Sachen. Wir waren eine richtig
gute Band, aber zuletzt war es abgenudelter Kram.
“G-Far-I” das letzte GF-Album ist
größtenteils Schweinerock. Das ist gut gespielter
Schweinerock, mittlerweile konnten ja auch spielen.
Aber da macht man sich keine Gedanken. Ich hatte auch
Bock zu rocken, auch live. Wir haben wie die blöden
gerockt. Wir waren eine total eingespielte Band. Wir
hätten wirklich zum Rockpalast gehen können, wir wären
da nicht durchgefallen.”
GEISTERFAHRER
haben bis 1990 sieben Alben veröffentlicht, daneben
gibt es von dir diverse Soloprojekte. Du arbeitest aber
auch als Produzent und hast bei über 150 Produktionen
mitgewirkt.
”Also was ich gemacht habe, da komme ich alleine
auf etwa 30 Tonträger. GF, das ist wenn man so will ein
Strang. Dazu kommen JEANNETTE und das LAND Z, das war
Disco, heute würde man das Easy Listening nennen.
Danach habe ich BAL PARE gemacht, das kennst du
wahrscheinlich nicht, das ist so DEPECHE MODE oder
Synthie-Pop. Im weitestes Sinne ist jetzt das INSTITUT
eine Fortführung von BAL PARE. Das INSTITUT ist tiefer.
Durch die Frauenstimme ist es zwar BAL PARE näher, aber
es hat auch dieses dustere, elektronische, dunkel
elektronische Seite von GF. Ich habe auch eine
Kunstplatte gemacht mit Büttner/Oehlen. Oehlen kennst
du vielleicht. Markus Oehlen war der Schlagzeuger bei
MITTAGSPAUSE und das war auch so ein Ding. Das ist Kult
geworden, das ist plötzlich Kunst. Zuerst hat sich
überhaupt nicht verkauft und plötzlich ist so etwas
heiß begehrt, wie die ganzen alten Zickzack Sachen. Die
150 kommen dann noch einmal oben drauf, das sind dann
Sachen wie KOSMONAUTENTRAUM, ABWÄRTS, DORAU,
OSTZONENSUPPENWÜRFEL, CHOCOLATE FACTORY, Berge eben.
Ich habe z.B. damals ”Auto-da-fe” von SPK
für Walter Ulbricht Schallfolien gemastert. Das haben
die ihm damals quasi geschenkt. Und da hat er gesagt du
bekommst von mir auch kein Geld, du bekommst für den
Job den du da machst dreißig Platten geschenkt. Ich
habe die dann auch verschenkt. Heute liegen die bei 100
Euro oder noch mehr. Wenn man sich die dreißig so
eingeschweißt hingestellt hätte, könnte man die jetzt
gut einzeln abstoßen.”
Hast
du auch Industrial gemacht?
”Ja wir haben Tonnen von Industrial gemacht. Die
Phase nach GF. Ich habe immer Tonnen von Musik gemacht.
Es gibt zwei Schienen, die Songschiene und dann machen
wir auch im weitesten Sinne Ambient oder auch
Industrial. Wahrscheinlich kommt jetzt eine CD auf Dom
Elchklang heraus und das ist dann so eine Mischung mit
sehr schweren Beats - quasi Technoartig mit Industrial,
das sehr rhythmisch und krachig. Das repräsentiert für
uns die Neunziger– das ist ganz klar GF. Völlig
Synthetisch. Auf dieser GF-Kompilation gibt es den Song
“Monster” - total elektronisch, auch die
Beats. Ich wollte immer harte Gitarren mit Elektronik
mischen das war auch schon bei STROMAUSFALL so. Das
zieht sich wie ein Strang durch alles durch. In der
Endphase von GF fand ich das super, alleine dieses
Können, das Gefühl dass ich das kann, dass wir
plötzlich einen Wall of Sound hatten. Du gehst auf die
Bühne und wirst weggeblasen nur hinten von der Anlage
– und das war Rock’n’Roll. Irgendwann
wurde mir das dann aber doch zu rockig und ich habe
gesagt ich will jetzt wieder Elektronik da rein haben.
Daran ist GF zwar nicht zerbrochen, aber ich würde
sagen zerbröselt. Das war dann so, wir waren nicht mehr
im Bunker, keiner hatte da mehr Bock drauf und ich habe
Sessions gemacht mit Andy oder Marco. Da kamen gute
Sachen bei raus aber es fehlte die Energie, weil die
Leute nicht mehr geballt zusammen waren. Hier ein House
Einfluss, ein bisschen Acid, da ein bisschen
Industrial, es war alles einzeln. Die Beats kamen aus
den Maschinen, Jürgen hat sich mehr oder weniger
gelangweilt. Es ist zerfasert. Später in den Neunzigern
bin ich mit Jürgen wieder auf den Punkt gekommen, das
war auch nicht zerfasert, das war richtig geil. Aber es
gab irgendwie keinen Markt. In den Neunzigern war mein
Interesse ziemlich erlahmt. Ich habe dann Werbemusik
gemacht und Kinospots vertont. Aber ich habe nie
richtig Geld dafür gesehen. Da habe ich gesagt ich will
auch mal ein bisschen Geld dafür sehen, nicht reich
werden aber ein bisschen Geld und das war damit
gegeben. Die Spots waren etwa 25 Sekunden lang und
dafür gab es dann 1.000 Mark.”
Machst
du das noch immer?
”Nein, ich habe das ein paar Jahre gemacht. Alles
mit Timecode und SMPD, das war nervenaufreibend, die
Hälfte der Zeit verbrauchte man mit irgendwelchen
Briefings.”
Was
heist SMPD?
”Timecode? Damals war das ja noch mit Video, Man
kriegte eine Videokassette und da war der Film drauf
mit einem Timecode und dann musste man die Computer und
die Maschinen dazu synchronisieren. Das ganze nennt
sich dann SMPD Timecode. Es lief dann der Film und ich
habe dazu gespielt aber immer nur diese 25 Sekunden.
Die meiste Zeit über war man auf irgendwelchen
Briefings und Sitzungen wo dann immer gesagt wurde,
wollen wir das denn nun so und so. Irgendwann
langweilte mich das. Ich bin wieder zurückgegangen, im
weitesten Sinne in den Bandsektor. So habe ich auch
meine Freundin Traute kennen gelernt. Das war HERBST,
die habe ich produziert. Das war Kammerrock so mit
Cello und Geigen, dann habe ich auch wieder Punk
gemacht, BAZOOKAS aus Hamburg, SABOTAGE O.C.O.C. aus
Frankfurt, Techno FORTIFICATION. Dann wurde das
INSTITUT gegründet. Ich mag so deutsche Namen wie
Kraftwerk, Geisterfahrer, Stahlnetz. Die erste Platte
kam 1998 raus.”
Fühlst
du dich als Musiker oder bist du ein Mann der im
Hintergrund der die Fäden zieht?
”Ich bin der unbegabteste Labelchef. Wenn ich
sage ich mache jetzt ein Label, dann ist Ende, denn ich
mache keine Musik mehr. Ich habe jetzt wieder ein
Label, das Archiv und wenn da eine Platte rauskommt,
das bereitet mir richtig Stress. Ich muss das Presswerk
anrufen, usw., ich bin Musiker und will Musik machen
und nicht diesen Bürokram. Zumal ich genau weis, ich
verdiene dabei kein Vermögen dran, denn ich mache davon
500er Auflagen. Auf der anderen Seite habe ich mich nie
als Musiker gefühlt. Ich kann alles spielen, aber
nichts perfekt. Ich habe auf der ersten Platte bei
einem Stück, ”Vertrauen”, am Schlagzeug
gesessen, aber nicht weil ich das wollte, sondern weil
ich nicht die Gitarre spielen konnte, die ich mir
ausgedacht hatte. Jürgen war ein Super Drummer aber er
konnte eben auch dieses Riff spielen und da haben wir
gesagt, wir tauschen einfach. Mit Jürgen war ich dann
später so eingespielt, dass wir Stücke wie
”Blumen” einmal gespielt haben und alle
Breaks saßen. Da haben alle Leute gedacht, das müsst
ihr tausendmal geübt haben. Das ist eine
Übereinstimmung die ich mit Jürgen immer hatte. Seit
1979/80 machen wir zusammen Musik. Nur jetzt trommelt
er nicht mehr, jetzt sitzt er dort hinten am
Synthesizer und ich hier. Seit 15 Jahren machen wir
hier in diesem Studio Lärm. Wir steuern irgendwelche
Samples oder Kram an. Hinterher werden Sachen am
Computer geschnitten. Es ist aber immer noch der
GF-Geist – Elektro-Punk oder wie man das nennen
will. Ein bisschen so wie die neue Single, die Weiße,
da ist er ja auch mit dabei.”
Dein
Label, dein Studio, GF, das Institut, was treibt dich
eigentlich an?
“Meine Freundin Traute gibt hier im Studio
Gesangsunterricht, das ist sozusagen die Tagschicht und
ich mache die Nachtschicht. Ich habe Techno gemacht und
Lounge Sachen gemastert. Das mache ich vielleicht zwei
Jahre lang, aber dann sage ich auch, so jetzt reicht
es, ich kann jetzt kein Lounge mehr hören. Wenn ich so
etwas fünf Jahre machen würde, da werde ich doof bei.
Letzte Woche habe ich hier Rock gemacht, das war sehr
erfrischend und das ist eigentlich dass geilste, dieses
vermischen. Immer wieder neue Sachen. Das ist spannend.
Bei GF wusste man später schon wie die nächste Platte
klingt. Am Anfang war das noch anders. Da ist man nicht
mit fertigen Stücken ins Studio gegangen, sondern nur
mit Fragmenten. Eine Grundstimmung war da, aber wir
haben was zusammengebastelt. Das war für mich das
interessante, das Dilettantentum. Mittlerweile kann ich
eine ganze Menge, aber ich versuche oft mich so weit
wie möglich zurück zunehmen. Die Musik so Minimal wie
möglich zu halten.”
Kay
Wedel